Rostock Lichtenhagen, 2012

Porträts und Stadtansichten
Gesprächsprotokolle
9 Fotografien aus einer Serie von 25 / 59,4 x 84,1 cm, 2012

Victoria Tomaschko fotografierte im Norden von Rostock, in Plattenbausiedlungen, die in den 1960er und 1970er Jahren entstanden sind und eine Art Außenstadt zur renovierten Rostocker Innenstadt bilden. Im August 1992 griffen in Lichtenhagen Rechtsextreme die Zentrale Aufnahmestelle für Asylbewerber im Sonnenblumenhaus an. An die 3000 Schaulustige beklatschten die rechtsextremen Ausschreitungen und behinderten den Einsatz von Polizei und Feuerwehr, die sich am Höhepunkt der Eskalation zurückzogen. Politisches Versagen im Vorfeld, während den Ausschreitungen und im Nachhinein prägte und definierte die Ereignisse. Die Fehleinschätzung, Leugnung und Verharmlosung der von der Zwickauer Terror-Zelle begangenen Morde, ist trauriges Beispiel und aktueller Beleg diesbezüglicher Blindheit am rechten Auge der zuständigen Behörden. Victoria Tomaschko geht es in ihrer Fotoserie um die gegenwärtige Lebenssituation im Rostocker Norden und um fehlende, bzw. nicht bewusste Plätze der Erinnerung, um den blinden Fleck innerhalb gesellschaftspolitischer Erzählungen und historischen Bewusstseins. Welche Rückschlüsse können aus diesen Lücken der Erinnerung gezogen werden? Was ist nicht sichtbar und dennoch anwesend, welche Wirklichkeit wird ausgeblendet und ist dadurch um so präsenter? Und wie prägen diese Ereignisse die eigene Biografie, wenn man wie Victoria Tomaschko in Rostock geboren und aufgewachsen ist?
Sabine Winkler

Ausstellung
2012 : Research – Wirklichkeit als Material
ratskeller – Galerie für zeitgenössische Kunst, Berlin